Mitbe-Wohnung - Zoologie für Anfänger
Ich gehe in den Flur. Dort steht ein grauer Schuhkarton auf dem Boden. Darauf klebt ein rotes Schildchen mit der Aufschrift „Bitte nicht füttern.“ Ich ahne. Langsam nähere ich mich dem Karton. Zutiefst widerstrebend strecke ich vorsichtig meine Hände aus. Mit zittrigen Fingern umfasse ich den Deckel. Hat sich darin etwas bewegt? Ich atme einmal tief durch, schließe die Augen und hebe den Deckel an. Nichts springt mich an. Nichts isst mein Gesicht. Das ist gut. Ich öffne die Augen. Im Karton liegt eine Gurke. Meine Erwartungshaltung ist derart verschoben, dass ich das in in diesem Moment in Ordnung finde. Erleichtert senke ich den Deckel wieder. Was wollte ich noch? Achja. Ich steige über den Karton und öffne die Wohnungstür. Wo ist mein Schlüssel? Ich wende die Drei-Taschen-Klopf-Methode an. Nein, nicht dabei. Ah in der Küche müsste er sein. Ich greife nach dem Schlüssel und gehe zur Tür hinaus.
Ich habe vor zu kochen. Im Supermarkt suche ich einige Zutaten zusammen, die sich zum Zubereiten eignen würden. Eine Avocado, eine Zitrone, eine Gur…ach nein. Ich suche schnell ein paar weitere Dinge zusammen und verschwinde aus dem Supermarkt, bevor er Rush Hour-bedingt überfallen wird. Zuhause angekommen gehe ich in die Küche und beginne mit der Zubereitung. Kurz unterbreche ich die Arbeit und schaue noch einmal in den Flur. Ach was soll’s. Ich öffne den Karton, entnehme die Gurke und bringe sie in die Küche. Gerade als ich sie in mundgerechte Scheiben schneide, öffnet sich die Wohnungstür. Karl-Heinz betritt die Küche in Begleitung eines Mannes mit Tanktop und langen, dunklen Haaren, die ihm die Sicht verdecken. „Das ist Brot. Er ist Bassist“, stellt Karl-Heinz seinen Begleiter vor. „Sag mal, hast du Gurki gesehen? Er ist nicht mehr im Karton und ich habe ihm noch nicht beigebracht selbstständ…“ Die Farbe weicht aus seinem Gesicht. Er starrt fassungslos auf mein Schneidebrett. Ich stecke mir eine Scheibe in den Mund und frage: „Waf ifft"?