Mitbe-Wohnung - Was würde Freud sagen
Ich stehe in einem Korridor. Die Wände sind gelblich und armselig gestrichen. Die Farbe ist ungleichmäßig verteilt. Ich stehe genau in der Mitte und blicke in den Flur. Er scheint unendlich lang zu sein. Ich versuche zu sprechen. Ein quietschender Ton säuselt durch den Gang. Er halt lange nach. In meinem Mund befindet sich eine Klarinette. Meine Finger sind um diese geklammert. Ich versuche meinen Griff zu lösen, doch es gelingt mir nicht. Ich stoße einen weiteren Ton aus, der laut und klar durch den Flur hallt. Ich bekomme Panik und weitere Töne dröhnen dissonant in die Ferne. Jemand legt mir die Hand auf die Schulter. „Ach hier bist du also. Wir haben dich schon gesucht. Uns wurde schon langweilig in der Pause.“ Eine weitere Hand legte sich auf meine Schulter. „Na gehst du zum Flötenunterricht?“ „Das ist eine Klarinette, du Idiot“, sagte die andere Stimme. „Stimmt’s?“ Von rechts stößt mir etwas fest in die Rippen. Ich stoße einen Weiteren, diesmal sehr schrillen Ton aus. Ich kenne diese Stimmen. Ich will schreien, um mich schlagen, wenigstens weglaufen. Aber ich kann nicht. Ich kann mich nicht bewegen. Nur spielen. „Du ich glaube, du hast dich da verspielt.“
Ich liege auf dem Boden an ein turmhohes Bücherregal gelehnt. Über mir stehen drei große dunkle Gestalten. Sie werden von hinten angestrahlt. Die Lichtstrahlen sind in der staubigen Luft deutlich erkennbar. Ich kann die Gesichter der Gestalten nicht erkennen. Nur schwarze Schemen. Eine hat beide Hälften der zerbrochenen Klarinette in den Händen. „Worauf willst du denn jetzt spielen?“, fragt eine andere. „Jetzt musst du wohl mit uns spielen.“, sagt die dritte. Alle drei Gestalten lachen hallend und werfen mir das zerstörte Instrument an den Kopf. Das Bücherregal beginnt zu knarzen und unendlich langsam in meine Richtung zu kippen. Hunderte Bücher stürzen mir entgegen. Es sind alles die gleichen Bücher mit dem Titel „Der Prozess“.
Ich reiße die Augen auf. Ein Traum. Nur ein Traum. Ich liege im Bett. Wer waren die Stimmen? Warum die Klarinette. „Alles gut?“ Ich wende meinen Kopf nach rechts. Dort sitzt Karl-Heinz und schaut mich besorgt an. „Wie lange bist du schon hier?“, frage ich. „Ein paar Minuten. Du hast im Schlaf rumgebrüllt und so seltsam gepfiffen.“ „Mir gehts gut. Ich hatte nur einen Alptraum“, brabbel ich in mich hinein. „Gut, ich gehe dann auch wieder ins Bett“, sagt Karl-Heinz, steht auf und geht aus meinem Schlafzimmer. „Ach ja“, sagt er, dreht sich noch einmal um und deutet auf meinen Nachttisch. Dort steht eine Tasse. „Ich habe dir einen Tee gemacht. Gute Nacht.“ Er schließt die Tür. Ich greife nach der Tasse und nippe am Tee. Er ist kalt.