Mitbe-Wohnung - Nahsehen
Der Fernseher läuft. Karl-Heinz und ich sitzen davor und schauen auf die flimmernden Bilder. „Du?“, fragt er. „Warum heißt es denn fernsehen, wenn wir nur 1,5 Meter von dem Gerät entfernt sitzen?“ „Diese Frage habe ich mir noch nie gestellt.“, erwidere ich darauf. „Wir sollten es entweder fortan nahsehen nennen oder den Kasten weiter weg stellen“. Es läuft N24. Eine Sendung über Hitler. „N24 scheint den ja unter Vertrag zu haben.“, sagt Karl-Heinz. „Hitlers SS, Hitlers SA, Hitlers Außenpolitik, Hitlers Pläne, Hitlers Kindheit, Hitlers Hund, Hitlers Nachbarn, Hitlers Geheimnisse, Hitlers Lieblingsrezepte…“ „Ja das ist etwas albern.“, sage ich. „Und wie der rumbrüllt.“, sagt Karl-Heinz vor sich her. „Mhm.“, sage ich. Karl-Heinz schaltet um. Nun schauen wir einem Mann zu, der sich beim Kochen gefilmt hat. „Was soll der Quatsch denn?“, fragt Karl-Heinz leicht entnervt. „Da bekommt man direkt Hunger. Man riecht nur nichts.“ „Mhhh“, seufze ich. „Und bleibt hungrig.“. „Mhm.“ Erneut wechselt Karl-Heinz den Kanal. Jetzt versucht uns ein schwarzhaariges lateinamerikanisches Mädchen zusammen mit einem Affen, der schräg ins Bild hängt, die englische Übersetzung des Wortes „Rucksack“ verständlich zu machen. „Ein Affe? Ein Affe??“, fragt Karl-Heinz entsetzt. „Nicht nur, dass der sprechen kann, der kann auch noch Englisch! Kommt denn nur noch Müll in der Glotze?“ „mhh“, seufze ich. Wieder schaltet Karl-Heinz um. Ein Wuschelkopf steht in einem dunklen Raum und malt. Völlig genervt wirft Karl-Heinz die Fernbedienung in die Ecke, steht auf und geht etwas vor sich her grummelnd in die Küche. Dahin wollte ich doch gerade. „Aber trink nicht meine Limo.“, rufe ich ihm nach. „Nein, nein“, ruft es aus der Küche zurück. Ein paar Sekunden später höre ich ein leises, unterdrücktes Zischen aus ebendieser Richtung. Ich seufze ein letztes Mal, stehe auf, hebe die Fernbedienung auf, um den Fernseher auszuschalten und stürme in Kampfhaltung in die Küche: „Finger weg von meiner Limooooooo!“