Sand und Blut

Am in «Geschichten» von maik
Tags:

Ich schalte den Fernseher an. Das habe ich lang nicht mehr getan. Und noch länger ist es her, dass ich diesen Sender erzappte, den ich nun vor mir habe: RTL. Mir wird direkt etwas übel. Es gibt offenbar wieder ein neues Format, das folgendermaßen aufgebaut ist: zwei Familien aus dem sozialen Bodensatz wählen ihren stärksten Sohn aus, den sie in eine Arena schicken, wo die beiden auf Leben und Tod gegeneinander kämpfen. Nur einer wird den Ring verlassen. Die Siegerfamilie darf dann an einer Folge Frauentausch teilnehmen.

Während des Kampfes darf das Publikum per Anruf (50ct/min) oder SMS abstimmen, welcher Kämpfer welche Waffe bekommt. Meist sind es die traditionelleren, wie Dreizack, Fangnetz oder Kurzschwert. Wenn sich ein Teilnehmer geschlagen geben muss, entscheidet der Programmchef per Handzeichen, ob derjenige leben oder sterben soll. Dabei wird der Kämpfer vom Volk ausgebuht. Der Moderator betritt die Arena. Er grinst wie ein gestörter, „HAHA“, fuchtelt mit seinen Moderationskarten, „Herzlich Wilkommen!“, und brüllt bedeutungsarme Phrasen voller Euphorie. „HAHA “. Die ersten Kandidaten kommen herein. Einer der beiden ist etwas übergewichtig. Das Publikum lacht ihn schallend aus, während er von seinem gut gebauten Konkurrenten zerfleischt wird. Nach dem ersten Kampf tritt ein „Sänger“ auf, der irgendein Format, das im letzten Monat lief, gewonnen hat. Er steht in der Mitte der Arena und setzt zu einer herzerwärmenden Ballade an. Nach 2 Takten fängt das Publikum an zu brüllen und zu klatschen, sodass man nichts mehr hört. Schade, beinahe wäre es etwas Kultur geworden.

Die Werbepause beginnt mit dem üblichen Gewinnspiel, bei dem man einen Fernseher gewinnen kann. Man muss nur folgende Frage beantworten: Aus welchen Buchstaben besteht das Wort „Ei“? a: E und I oder b: Kartoffelsalat. Die Werbepause gibt mir genügend Zeit, meinen Kopf gegen die Wand zu schlagen.

Es geht weiter. Thorben-Hendrik aus Bochum-Wiemelhausen erhofft sich den großen Durchbruch durch den heutigen Sieg. Das einzige, was bricht, ist jedoch seine dritte und vierte Rippe, als ihm sein Kontrahent dagegen schlägt. Die Menge jubelt und tobt. Seine Mutter ist enttäuscht von ihm. Sie hätte gerne die Familie gewechselt. Die Kamera fängt ihre ein und ich fühle mit. Ich ertappe mich dabei, wie das Programm in Teilen genau das in mir auslöst, was es in den Zuschauern auslösen soll.

Der letzte Schlag wird in Zeitlupe und farblos gezeigt. Die Klinge geht durch den Hals Thorben-Hendriks wie durch Butter. Blut spritzt in den Himmel, die Emotionen der Zuschauer werden eingefangen, Hände werden vors schockierte Gesicht gehalten. Der Kopf landet in Zeitlupe im Sand, rollt etwas hin und her und bleibt schließlich liegen.