Nachlesungen Vorholen oder: Was hat er denn nun wieder
Viel zu tun, so wenig Zeit. Im Angesicht intellektueller Überforderungen nahm ich mir jüngst vor, im sogenannten "Stoff" zu bleiben (keine Ahnung, wie ich da überhaupt hineingeraten war). Daher wollte ich einige Vorlesungen nachholen. Da frug ich mich, ob ich dafür nicht die Nachlesung erst vorholen müsste. Überhaupt habe ich noch nie gesehen, dass ein Dozent während der Vorlesung auch nur irgendetwas vorgelesen hätte. Auch nicht nachgelesen übrigens. Höchstens vorher, was auch wieder seltsam ist, wenn man das ganze im zeitlichen Sinne betrachtet.
Das Konzept "Vorlesung" stammt aus dem tiefsten Mittelalter und ist heute nur noch so mittel. Damals setzte sich ein Dozent vor die Studierenden und las aus dem Buch vor. Es gab nämlich nur eins. Die Studierenden schrieben dies derweil ab, damit am Ende jeder sein eigenes Transkript des Buches hatte und dessen Wissen für sich konserviert hatte. Dieses Konzept begann zur Zeit des guten Herrn Gensfleisch mit der Erfindung des Buchdrucks obsolet zu werden, da es fortan eben mehr als nur ein Buch gab. Heutzutage gibt es Bücher analog und digital, Vorlesungsfolien online und offline, erklärende Videos, flash cards und zur Not kommt jemand und schlägt dich solange mit Schaubildern, bis du alles intellektuell in der Tiefe sowie Breite durchdrungen hast. Zumindest theoretisch. Jedenfalls muss niemand mehr vorlesen, man kann stattdessen einfach nachlesen, wenn man's denn braucht. Frontalunterricht, bei dem der Dozent dort vorn steht und irgendwas redet und die Studieren dort hinten sitzen und sich zwingen müssen, aufmerksam zu sein, ist meiner Meinung nach heutzutage keine effektive didaktische Methode mehr. Daher geht der Trend Richtung MOOC. So ein Massive Open Online Course ist eine online abrufbahre, digitale Version der klassischen Vorlesung mit aufgenommenem Dozenten und Vorlesungsfolien daneben, mit dem Unterschied, dass man nicht physisch im Hörsaal anwesend sein muss. Dies bedeutet wiederum, dass man keine Hose dabei anhaben muss. Pluspunkt. Es ist zudem doch so praktisch, den Dozenten pausieren zu können, noch einmal drüber nachzudenken, zurückzuspulen, um das Thema zu wiederholen. Außerdem kann man sich so eine Vorlesung ansehen, wann man dafür Zeit und Muße hat und ist nicht dem Suppenkoma oder den Folgen des Montagmorgens ausgeliefert. Auch hilfreich ist es Dozenten, die gerne Mal länger über das eine oder andere Wort nachdenken, mit 1,7-facher Geschwindigkeit abzuspielen. Das spart Zeit und man bleibt konzentriert. Toll.
Nebst Onlinekursen gibt es Unmengen digitaler Plattformen, auf denen man sich zu Lehrinhalten austauschen kann, man kann das gesamte Wissen der Menschheit mit einer kurzen Google-Suche abrufen. Heutzutage ist es viel wichtiger geworden zu wissen, wo es steht. Dabei muss man aufpassen, nicht zu vergessen, dass man auch tatsächlich was wissen muss, um etwas auf die Reihe zu bekommen.
Zurück zur Uni. Oft bietet sich statt der frontalen Vorlesung das Seminar als Lehrveranstaltungsform an. Ein Seminar ist oft viel interaktiver. Die Teilnehmer tragen selbst zum Inhalt der Veranstatung bei. Zudem ist die Gruppe der Teilnehmer kleiner und die Teilnehmer sitzen näher zusammen, gerade im Sommer sehr familiär. Bei Semiaren fühle ich mich eher mittendrin und obendrein auch noch dabei. Zumal hier deutlicher ist, dass die Leistungserfassung Ergebnis dessen ist, was man sich über das ganze Semester erarbeitet hat. Besonders bei Veranstaltungen mit Projekt. Dies ist bei Vorlesungen ja eigentlich auch so. Nur gibt es dort meist am Ende eine zweistündige Prüfung, bei der man das über das Semester angesammelte Wissen konzentriert abrufen muss. Zum Einen wird mir oft die Leistung nicht bewusst, die ich im Vorfeld erbracht habe, nämlich die Vorberreitung. Zum Anderen ist selbige für die Katz, wenn man zur Prüfung einen schlechten Tag hat und das Wissen nicht so richtig abrufen kann. Bei einem Seminar bekommt man viel eher die Progression mit. Man lernt Stück für Stück dazu und wendet dies dann an.
Es gibt natürlich noch andere Veranstaltungsformate an der Universität, die für den einzelnen Studierenden besser oder schlechter zum Lernen geeignet sind. Jedenfalls sollten Vorlesungen meiner Meinung nach so gestaltet werden, dass sie sich wie ein Seminar anfühlen oder online stattfinden, um mein persönliches Problem mit dieser Veranstaltungsart auszubügeln. So, wo war ich? Achja, der Stoff...