IDisco
Anmerkung an das Lektorat: Dieser Text wurde an dieser Stelle hier so zum ersten Mal abgedruckt. Nur ohne Tinte. Also so virtuell abged… so ohne Papier auch. Also quasi so pseudo-unecht so gedruckt. Aber dafür ist diese Geschichte auch tatsächlich so wie sie hier steht also genauso ausgedacht und erfunden.
Geht Ihr gern feiern? Oder tanzen? Ich für meinen Teil gehe auch…feiern…ich mein ich gehe auch einkaufen und zum Arzt aber ich gehe auch feiern. Oftmals nur leider nicht so gern. Nun, eigentlich hasse ich Tanzen im Club. Warum gehe ich also feiern? Es könnte der Anspruch sein einen anständigen jungen Menschen abzugeben (schließlich gehört das heutzutage als (postpubertärer) Adoleszent zum guten Ton) oder der Gruppenzwang, jedenfalls finde ich mich dann doch früh morgens auf der Treppe vor einem Club sitzend wieder, darüber sinnierend, wie unbefriedigend der Abend doch wieder war. Wie kam es doch wieder zu solch einer Tat? Nun lasst mich kurz die Geschichte eines solchen abendlichen Zerwürfnisses skizzieren. Dabei wird vielleicht auch klar, warum ich diesbezüglich etwas traumatisiert bin. Wie alles begann:
Ein solcher Abend in der Stadt, wo ich herkomme, beginnt ja eigentlich immer mit einem Vorgang: Dem Vorglühen! Ein Grund für mich, sofort der Überzeugung zu verfallen, dass dieser Abend nix wird, denn wenn ein Club so wenig Spaß macht, dass man sich besaufen muss um ihn zu ertragen, dann stimmt aber was nicht! Während es bei mir meist maximal für ein leichtes Glimmen reicht (ich habe meine Sinne gerne beisammen, handlich verpackt und griffbereit), führen die anderen meist eine Druckbetankung durch. So konnte man meinen Freunden, deren Begleiter ich quasi war, nur mit Sonnenbrille in die Augen schauen, um nicht von der lodernden Glut zu erblinden. Soll heißen: Man waren die voll! Das lag daran, dass der klare, gefährlich vor sich hinplätschernde Destillationssud nicht etwa, wie normale Westeuropäer das tun, getrunken wurde. Nein. Die Flasche wurde in Richtung Mund evakuiert. Die flüssigen Flüchtlinge suchten verzweifelt, mit Gewalt aus ihrer Heimat getrieben, Unterschlupf in der Magengegend der Trinkenden, nein Schüttenden, nur um festzustellen, dass ihnen dort auch kein Obhut geboten wurde, weshalb sie nicht selten beschlossen umzukehren. Das erzeugte bei den Betroffenen etwa folgendes Geräusch: Würg! [foot]Die Metapher gefällt mir irgendwie.[/foot]
Es war der Geburtstag eines alten Schulfreundes. Alt war in der Tat der richtige Begriff, das war er gerade geworden, denn aus Sicht eines 19-jährigen ist ein 20-jähriger alt, grau und senil. Ha, der alte Greis! Ja ich gebe zu, das Vorglühen war diesmal recht nett. Man traf Leute, die man lang nicht mehr gesehen hatte, trank in ruhiger aber lustiger Atmosphäre etwas und unterhielt sich miteinander, zumindest solange, wie man des Deutschen noch mächtig war. Das war eigentlich schon nicht schlecht. Bis dann das Ziel des Abends in greifbare Nähe rückte und man den Entschluss fasste, sich nun zur angefragten Tanzlokalität zu begeben. Das bedeutete, für mich war der Abend gelaufen, was ich aber zumeist nicht einsehen und auch kein Spielverderber sein wollte, also folgte ich brav.
Als wir also am Ziel ankamen, was in unserer Stadt zu so später Stunde gar nicht so einfach war, boten die wummernden Bässe von herinnen eine gedämpfte Kostprobe von dem, was die Djs den Gästen an diesem Tage servieren mochten. Mein Quell der Freude war unerschöpflich... Vor der Einrichtung bot sich uns eine etwa 17 km lange Schlange von schwankenden Suffkis, die irgendwie alle da rein passen mussten. „Wird kuschelig“, dachte ich so zu mir herüber. Die mitgebrachten Flaschen (Proviant für den Weg) wurden geleert und zur Seite gestellt. Dann wurden niveaulich angemessene Gespräche geführt, wobei „Gespräche“ nicht unbedingt das richtige Wort dafür ist, was sich dort ereignete.
Nach etwa drei Jahren und fünf Monaten waren wir nun schon recht weit in der Schlange fortgeschritten und nur noch etwa zwei Meter vom Eingang und den Türstehern entfernt. Das war der Moment, in dem einem Mädchen einfiel, dass sie ihren Ausweis vergessen hätte. Ja, das war immer so. Jedes Mal. Wenn man wie 13 aussieht, braucht man halt auch einen Ausweis. Ein paar von uns gingen derweil schon mal an der personifizierten Grimmigkeit vorbei ins Innere der Basslichkeit. Drinnen war es lauter. SEHR VIEL LAUTER!
Mein Kumpel hatte wie gesagt Geburtstag, und wollte von diesem Umstand Nutzen machen. Es gab die Möglichkeit als Geburtstagskind kostenlos in diesen Club zu kommen und obendrein noch ein paar Freunde mit hinein nehmen zu können. Das wäre zum Beispiel ich gewesen. GEWESEN, wenn unser Vorhaben nicht brüskst von dem Mann an der Kasse unterbrochen wurde, der folgende Worte sprach: „Heute gilt das Angebot nicht, weil heute eine Sonderveranstaltung ist.“ Dies versuchte er meinem, sagen wir „angeheiterten“, Freund verständlich zu machen. Der wollte aber gerade gar nicht Dinge verstehen, sondern tanzen. „Wat is heute?“, entgegnete er mit grinsendem Gesicht. „Na das ist wirklich peinlich, wenn du das nicht weißt.“, antwortete der Kassenmann lächelnd. Leicht irritiert blickte ich zwischen den großen bunten Luftballons, die von der Decke hingen, dem Banner auf dem in güldenen Lettern „10 Jahre“ stand und dem glasigen Blick meines Freundes hin und her. Er starrte mich zunächst an und schaute sich um. Nach einer Weile drehte er sich wieder zur Kasse und sagte: „…Ne, weiß ich wirklich nicht. Tut mir Leid“. Ich schlug mir mit der Hand vor die Stirn, bezahlte Eintritt (Ich Idiot) und ging weiter.
Nun ist es ja so, dass die Tanzflächen gar nicht mehr so heißen, sondern Floors. Für den Fall, dass sich mal ein englischsprachiger Zeitgenosse hierher verirren sollte wahrscheinlich. Der würde sich ja sonst gar nicht zurecht finden. Jedenfalls gab es drei Flooooars, einer für popchartelektromainstreamgedöns, unkundige nennen ja sowas Musik, einen für Hip-Hop und einen für Techno. Das wurde strikt getrennt um Ravereien zu vermeiden (Kleiner Scherz). Ich halte mich nun im Laufe solch einer Nacht entweder auf dem popchartelektromainstreamgedöns-Floor auf, weil der der größte war und ich damit die Chance, von alkoholisierten, schwitzenden Testosteronschleudern gewaltsam erdrückt zu werden, minimiere, oder ich finde mich im Außenbereich wieder um „frische Luft zu schnappen“. Super Idee, haha. Ich rauche nicht. Muss man auch nicht mehr, wenn man einmal da draußen war. Naja, Räucherware hält sich länger.
Apropros Testosteron: Diese Leute. Dort laufen nicht Zeitgenossen der Hipster-Kopfwollen-Sorte herum, sondern die kurzgeschorene Bullenvariante, die T-shirts zum Bersten gefüllt mit Muskeln, tragen. Keine Ahnung, warum die immer so viele dabei hatten. Die tragen auch immer in der rechten Hand ne 20 Kilo-Hantel mit sich herum und in der linken ne Frau mit Minirock, High Heels und solchen ... Die sahen auch immer gleich aus. Das gibt’s gar nicht. Ein Klonlabor war das da… nicht zum…Ich schweife ab. Jedenfalls irre ich dann noch einige Stunden weiter herum, versuchte ab und an zu tanzen, was mir aus Sicht eines nüchternen vermutlich nicht gelingt, (Zum Glück mangelte es zumeist an nüchternen) nehme ein, zwei alkoholische Getränke zu mir und lasse mich ab und zu draußen im Rauch konservieren. Toll! Ab und zu begegnen einem an solchen Abenden auch bekannte Leute, die einen dann grenzdebil angrinsen und Sätze wie „HEY!… … … Wusste gar nicht, dass ma…dich hier ma…treffen…“ zu formulieren versuchen. Da grinst man dann halt mal und geht weiter. Es ist ja ohnehin zu laut sich dort nur irgendwie menschenartig zu unterhalten. Sogar die nonverbale Kommunikation wird übertönt von diesem Krach.
Irgendwann dann gegen 4 Uhr, es ist mir ein vollkommenes Rätsel, wieso ich nicht einfach früher ging, vielleicht hatte ich Angst was zu verpassen, das wäre ja gerade dort drinnen sehr schade. Irgendwann gegen 4 Uhr also beschlossen ich und zwei, drei weitere Leute, mit denen ich hinein gegangen war oder die ich dort getroffen und erkannt hatte, den Laden endlich wieder zu verlassen, nahmen unsere Jacken und gingen in die eisige, dunkle Kälte. Dort warteten wir dann auf die restlichen Personen, die mitzukommen vorhatten, aber offenbar den Weg nach draußen einfach nicht finden konnten, womit wir wieder am Anfang der Geschichte wären. Da sitzen wir nun in der frösteligen Kälte vor uns hin siechend auf der kleinen Treppe und warten. Worauf weiß meist nur eine Person der Gruppe. Dort beginnen dann oft die philosophischen, tiefgründigen Gespräche über die Welt, das Leben, das Kleben und das Sein an sich, völlig konträr zu vorherigen Erlebnissen. Diese Momente lassen die Melancholie in einem aufsteigen. Man fühlt sich den anderen mit ihrer Fahne und ihren kaputten Füßen sehr verbunden. Ja man hat das Gefühl, als hätte man für kurze Zeit gute Freunde. Für einen kurzen Augenblick ist es okay. Einfach okay. Mit diesem Gefühl gehe ich, ganz in mir ruhend, in das tiefe Blau und beschließe beim nächsten Mal statt in einen Club zu gehen, mich an ein Lagerfeuer zu setzen.