Die Briefe des jungen Z - 1

Am in «Gedanke des Tages» von maik
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Anmerkung an das Lektorat: Hierzu ist jede Anmerkung überflüssig.

Lieber Flo,

ich hocke gerade rücklings in meinem Ohrensessel, schaue melancholisch nachdenklich in das Knistern des Kaminfeuers, lausche den Klängen des Grammophons, schwenke den Jameson rhythmisch im Glase hin und her, und denke über mein bisheriges Leben nach. Wann war der Zeitpunkt, an dem der Ernst des Lebens losging? Habe ich diesen verpasst, versäumt oder einfach nur nicht mitbekommen? Momentan läuft es doch nur so ziellos geradeaus und macht nur ab und zu dort eine Abbiegung, wo ich mich frage, ob ich das Badesalz „Momente der Stille“ oder lieber „wohlige Entspannung“ in die Wanne kippen soll.

Heute war ich immerhin auch mal draußen. Es war ein schöner Tag. Die Leute spazierten auf den Straßen. Ein junges Paar fuhr auf einem Motorroller an mir vorbei. Er fuhr, während sie hinter ihm saß und ihm „mmmh mmhpf mmhh“ durch den Integralhelm zurief. Es war recht warm an diesem wohligen Septembermorgen gegen 16 Uhr. Interessehalber habe ich nachgeschlagen, ob sich auch Menschen durch Hecheln abkühlen können. Die Antwort ist einfach und ernüchternd: Nö. Mein Hirn ist dafür einfach zu groß. Immerhin habe ich Schädelgröße 32-D. Es braucht zu viel Sauerstoff, den es durch Hyperventilieren nicht zur Genüge bekommt. Zumal mir noch heißer würde, wenn ich in der Fußgängerzone mit hängender Zunge die irritierten Blicke der Periphärmenschen aushalten müsste. Sag mal, wie geht es dir eigentlich?

Ich ziehe gerade um. Hach, wie aufregend, wenn man alte Erbstücke wiederfindet, die sich jahrelang unter Tischbeinen geklemmt zur Begradigung derselben befunden haben und die einen schnurstracks in Erinnerungen vergangener Lebensabschnitte zurückwerfen. Und der ganze Papierkram, der sich über die Zeit angesammelt hat. Würde ich die ganzen Notizen, Erinnerungen, Abhandlungen, Rechnungen, Belege und Notenblätter übereinander stapeln, würde der Stapel von hier bis dort hinten reichen. Das habe ich in einer ruhigen Woche einmal ausgerechnet. 

Wann werden wir uns wiedersehen? Ich schreibe dir auf diese Weise, weil ich mein Ladekabel zurzeit nicht finden kann. Eine Nachricht musste dennoch sein. Schließlich bist du der Mensch, den ich erst als Dritten zur Not essen würde, wenn unser Flugzeug mitten in der Wildnis abstürzte.

Unverhoffte Grüße,
maik