Das Jagdmesser und andere Psychologiestunden - Hörnchen
Anmerkung an das Lektorat: Die Geschichten dieser Reihe habe ich meinem Psychologielehrer zu verdanken. Dies ist eines der vielen Traumata, die das Leben eines Schülers, der das Fach Psychologie belegt, mit sich bringt. Die anderen sind in einer gesonderten Kategorie zu finden.
„Wir müssen nächste Woche mal einen Test schreiben.“, sagte der Lehrer. „Aber Test klingt ja nicht schön. Wir sollten dem ganzen einen anderen Namen geben.“ Auf die verwunderten Blicke der Schüler ergänze er: „Irgendwas zu essen, das ihr gerne mögt.“ „Ich mag Hörnchen.“, meldete sich ein Schüler von links hinten. „Gut, dann machen wir nächste Woche ein Hörnchen.“. Dann hörte er diverse Mägen knurren. Schon klang der Leistungserfassungsprozess auch nicht mehr so gefährlich. Positive Psychologie einfach angewandt.
Es gab zwei Psychologiekurse. Beide hatten ...Hörnchen zu schreiben (im anderen Kurs hieß das vermutlich anders). Es lief aber jeweils unterschiedlich ab: Dem anderen Kurs erlaubte der Lehrer vor dem Hörnchen 15 Minuten in ihre Aufzeichnungen zu schauen und den Stoff zu wiederholen. Bei uns ging er anders vor. Wir erzählten uns vor dem Hörnchen gegenseitig im Klassenraum Witze. Angeblich fiel unser Hörnchen besser aus. Zumindest teilte der Lehrer uns das irgendwann am Rande mit. Das konnte aber weder von uns bestätigt werden, da er uns nie die Ergebnisse verriet, noch war das kleine Experiment irgendwie wissenschaftlich gestützt (ohne Testgruppe usw.). Das alles machte den Unterricht seltsam interessant. Niemand hatte am Ende eine konkrete Vorstellung, wie er die Note bekommen hatte, die er bekommen hatte, aber wer sich sehr für Psychologie und das was wir im Unterricht taten interessierte, bekam eben auch eine entsprechend gute Note dafür. Diese Art der Bewertung erschien sinnvoller als es bei anderen transparent bewerteten Fächern der Fall war.