Briefe des jungen Z - 3

Am in «Gedanke des Tages» von maik
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Liebes Tagebuch,

heute geht die Welt schon wieder unter. Beziehungsweise hat es den Anschein, denn es regnet wieder einmal so stark, dass man keine drei Meter weit gucken kann vor lauter Wasser. Zum Glück gehe ich nicht raus. Da würde ich ja ganz nass werden. Stattdessen bleibe ich in der gemütlichen Stube und zähle mal wieder meine Kraztersammlung auf den Schallplatten von Oma. Es gibt doch kein gemütlicheres Wort als "Stube", außer natürlich "Kuschelflausch" aber dieses Wort kommt nur recht selten zum Einsatz. Jetzt beginnt auch wieder die Jahreszeit, in der man es sich so richtig gemütlich macht und ein wenig zur Besinnlichkeit tendiert. Neulich beobachtete ich eine bemerkenswerte Szene im Park. Es war ein dunkler, bewölkter Novembertag. Ein Wetter bei dem viele Menschen vermutlich lieber drinnen als draußen sind. Es gibt jedoch einige Gründe trotzdem hinaus zu gehen. Zum Beispiel wenn man Hunde besitzt. So sah ich an jenem Tage eine Frau mit ihrem Hund Gassi gehen. Das ist erstmal nichts nennenswertes. Nur sah man ihr recht deutlich an, dass sie gerade überhaupt keine Lust hatte, draußen herum zu laufen. Die Lust Hundekot vom Flokati zu kratzen, war allerdings noch um eisn geringer. So schlurfte sie also vor sich hin und zog die Leine motivationslos hinter sich her. Witzigerweise hatte der Hund gerade ebenfalls keinen Bock auf Gassi, sodass er sich mit gelangweiltem Blick von seinem Frauchen über die Wiese ziehen lies und dabei eine Furche durch den feuchten Boden zog. Das sah an diesem eher traurigen Tag ziemlich witzig aus. Auf dem Flokati ergibt das allerdings wohl dann ein ähnliches Ergebnis.

Ich war eigentlich nur draußen, um ein Paket zu holen. Ich war zwar beim vermeintlichen Lieferungsversuch auch zuhause, der Bote hatte es aber scheinbar etwas eilig und ich wohne eben ganz oben. Dafür kann man Verständnis aufbringen, wenn man möchte. Seinetwegen musste ich jetzt jedenfalls eine Hose anziehen. Ein anderer Paketbote gab mir einmal durch die Gegensprechanlage zu Verstehen, das Paket sei zu schwer und ob ich nicht runter kommen könnte um ihm beim tragen zu helfen. Überrumpelt stolperte ich hilfsbereit die Treppe herunter um dann unten einen Schrank (ich meine den Typen, nicht das Paket) mir gegenüber zu sehen, der mit seinen Schultern den kompletten Türrahmen ausfüllte. "Danke Mann", sagte er, war mir mit einer Hand das Paket zu und schlug mir meine Tür vor der Nase zu. Das Paket riss mich zu Boden. Es war schwer wie der Teufel. Mein Mitbewohner hatte eine gußeiserne Hermelinskulptur bestellt. Unter Ächzen arbeitete ich das Paket in den vierten Stock hinauf.

Jetzt bin ich hier jedenfalls eingegraben in flauschgewordener Gemütlichkeit mit Tee und Schreibgerät. Die Platte von Hericht und Preil ist die einzige aus der Sammlung meiner Oma, die man sich noch sorglos zu Gemüte führen kann. "Ein Rollschuhläufer der lief froh die Straße lang ohne Rast und Roh"

Der Nachbarshund jault schon wieder. Kann den bitte endlich jemand erlösen? Interessant, dass es Tiere in derart verschiedenen Lautstärken gibt. So ein Hase zum Beispiel ist ja quasi lautlos, während so ein Esel ja regelmäßig vor sich hin bläkt und kilometerweit zu hören ist. Eine Kuh hingegen lässt nur ab und zu mal was von sich hören, stellt dann aber schon sicher, dass sie die gewollte Aufmerksamkeit erhält. Ein Hund is oft still, der NAchbarshund allerdings nie. Der hat Sorgen. Meistens morgens. So kann ich mich nict konzentrieren. Es gibt so viel zu tun. Wie nennt man eigentlich das Phänomen, bei dem man sich nicht sicher ist, ob man unter dem Impostor-Syndrom leidet oder einfach nur ein inkompeteneter Trottel ist?

Ich jedenfalls hole mir jetzt noch ein fünftes Kissen. Ich melde mich.